Andacht: Barmherzigkeit in der aufgeregten Gegenwart
Pfarrer Matthias Weichert schreibt zum zweiten Sonntag nach Ostern
Der Wochenspruch (1. Petr 1,3) verspricht uns Hoffnung:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
Ein Wort spukt mir durch den Kopf: Liebesentzug. Zu Hause ist es oft der Partner*in, der/ die einen erziehen möchte, sagt der Psychologe Manuel Tusch aus Köln. „Oder es sind die Kinder, die ihren Willen durchsetzen wollen. Da wir sie so sehr lieben, lassen wir uns gerne mal von ihnen auf der Nase herumtanzen.“ Ein typisches Beispiel ist auch die Manipulation der Schwiegermutter, die ihren Sohn gegen die Schwiegertochter auszuspielen versucht. “Sobald ein Mensch in Beziehungen zu anderen steht, kann er manipuliert werden“, erklärt Manuel Tusch. Wenn ein emotionales Band zwischen zwei Personen existiert, funktioniere es besonders gut. „Wenn ich jemanden sehr liebe, bin ich offen. Ebenso aber, wenn ich Angst habe oder abhängig von jemandem bin.“
Warum spukt mir das durch den Kopf? Weil in diesem Wochenspruch von der Liebe / Barmherzigkeit gesprochen wird, die Gott uns durch die Auferstehung Jesu schenkt. Gleichzeitig lebe ich in der aufgeregten Gegenwart, in der so viel Unvorhergesehenes passiert, viele Stimmen meinen unbedingt recht zu haben.
Durch Liebesentzug kann ich manipuliert werden, weil oft – wie beschrieben – unehrliche Motive Menschen leiten. Die innere heitere Gelassenheit des Glaubens an die Barmherzigkeit Gottes, die unter anderem auch Martin Heidegger ausführlich beschreibt, kann immun für Manipulation machen – Mich stimmt der Glaube an die unbedingte Barmherzigkeit Gottes gelassen, verleiht mir Selbstsicherheit – besonders in diesen aufgeregten Zeiten.
Die Botschaft von Ostern ist doch die, dass Gott uns so annimmt wie wir sind – wir diesem Gott vertrauen können, weil er nicht mit Liebesentzug manipuliert und zu uns in unserer Vorläufigkeit steht. Ostern und Auferstehung sind ja tatsächlich Aussagen, die der Rationalität entzogen sind, sie leben vom, dass Gott Möglichkeiten hat, die in unseren Erkenntnissen nicht vorkommen.
Wahrscheinlich schmunzelt Gott über unsere aufgeregten Diskussionen die wir über Versäumnisse in der Pandemiebekämpfung führen, über Kandidaturen um höchste Ämter, die als heftige Auseinandersetzungen geführt werden, versteht vielleicht nicht die Geheimnisse eines föderalen Systems. Sicher wünscht er aber uns die innere heitere Gelassenheit, die wir durch den Glauben an seine Barmherzigkeit gewinnen können.