Rogate: Mit Gott in Beziehung leben
„Herr, lehre uns beten! Amen.“ Eine Andacht von Michael Striss, Pfarrer der Kirchengemeinde Lieberhausen zum fünften Sonntag nach Ostern: Rogate – betet!
Mehrfach habe ich in letzter Zeit von der „Pandemie der Einsamkeit“ gehört und gelesen. Demnach fühlen sich zehn Prozent der Deutschen sehr allein. Das Phänomen ist nicht neu, wird aber durch die Corona-Krise deutlich verschärft. Menschen unterschiedlichen Alters beschreiben, was ihnen fehlt: Begegnung, Kommunikation, vertrauensvolle Beziehungen.
Der Sonntag „Rogate“ ermutigt uns zum Beten. Was ist das? Mancher versteht das Gebet als eine Meditations- oder Entspannungstechnik. Möglich, dass man sich danach besser fühlt. Andere meinen, das sei eben ein Ritual für Christen. „Er verrichtete sein Gebet“, heißt es manchmal. Allerdings verbinde ich mit „verrichten“ ganz andere Vorstellungen.
Eigentlich soll beim Beten doch gerade das möglich werden, was die anfangs erwähnten Menschen so schmerzlich vermissen: Begegnung und Kommunikation; Beten als natürlicher Ausdruck einer vertrauensvollen Beziehung. Wenn Gott existiert, dann ist es das Widersinnigste überhaupt, dass Menschen nicht daran interessiert sein sollten, mit ihrem Schöpfer in Beziehung zu treten. Oder dass es uns gleichgültig ist. Aber genau das scheint die Realität zu sein, die so schon in der Bibel beschrieben wird als das Urproblem des Menschen: Er hat diese Beziehung einseitig aufgekündigt und meint, auch allein, ohne Gott zurechtzukommen. Dementsprechend sieht es allerdings in unserer Welt auch aus.
Wer Christ wird, will genau das nicht mehr. Dem wird deutlich, dass der Mensch geradezu dafür geschaffen wurde, um mit Gott in Beziehung zu treten. Das ist sein Lebenssinn. Wer von Gott berührt wird, in dem wächst auch der Wunsch, ihn immer besser kennenzulernen. Er wird diese Beziehung suchen. Und das Gespräch.
Diese betend gelebte Gottesbeziehung hat eine ganz eigene, mit nichts zu vergleichende Qualität. Sie soll und kann daher auch kein Ersatz sein für mangelnde zwischenmenschliche Beziehungen. Im besten Fall aber verbindet uns Menschen das Gebet auch untereinander. Auch in dieser Zeit. Auch in Präsenz. Das geht alles. Und ist so nötig.
Unser Gebet für heute kann lauten:
„Jesus Christus, Erlöser, du Freund und Bruder, schenke mir, dich klarer zu erkennen, dich inniger zu lieben, dir stets vertrauend nachzufolgen.“
(Richard von Chichester, 1197-1253)
Herzlich grüßt Sie
Ihr Michael Striss, Kirchengemeinde Lieberhausen