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Wie geht es Dir?

Gedanken aus dem Alltag

Wann hat Dich zuletzt jemand gefragt, wie es Dir geht? Das passiert wahrscheinlich häufiger, es gehört für viele Menschen zum Begrüßungsritual. Aber wie oft hattest Du den Eindruck, dass es Dein Gegenüber wirklich wissen will, wie es Dir geht? Wie oft zögern wir auch mit einer ehrlichen Antwort?

Mit einem früheren Arbeitskollegen ist mir das vor ein paar Tagen noch mal so richtig bewusst geworden. Wir haben telefoniert (er arbeitet im Handel und ich bestelle hin und wieder etwas bei ihm) und wir beide haben die Frage zunächst mit dem üblichen „Gut“ beantwortet. Im Laufe des Gesprächs (er hatte Zeit, ich habe sie mir genommen) stellten wir aber bald fest, dass wir vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Das es und eigentlich in diesem Moment „nicht gut“ ging. Das wir beide vergleichbare Sorgen haben. Wir haben unser Verständnis für die Situation des anderen noch einmal ganz neu erleben und auch darstellen können. Und auch, wenn ich seine Situation danach als hart und ungerecht interpretiere, freue ich mich doch, dass wir einander zugehört haben und beide festgestellt haben, dass unsere Lage ähnlich ist. Und wir einander das gegenseitige Verständnis signalisiert haben.

Seitdem habe ich darüber nachgedacht: Trauen wir uns, eine ehrliche Antwort zu geben, wenn uns jemand fragt? Zugegeben, an der Kasse im Supermarkt ist vielleicht nicht der richtige Ort, ausführliche Antworten zu geben, vor allem nicht, wenn man eine lange Schlange hinter sich hat. Und sicherlich hat man auch nicht immer die Zeit, sich die aktuellen Sorgen des Bewerbers anzuhören, mit dem man gerade telefoniert (Ich arbeite als selbständiger Personalvermittler). Nehmen wir uns die Zeit, selbst ehrlich zu sein und auch einer ehrlichen Antwort zuzuhören?

Ich achte mittlerweile mehr darauf, mir Zeit zu nehmen, wenn ich andere nach Ihrem Befinden frage. Und wenn es die Zeit zulässt, bekommt auch mein Gegenüber eine aufrichtige Antwort von mir. Jemandem zu sagen, wie es einem gerade geht, ist ja nicht immer mit der Aufforderung verbunden, sofort aktiv zu werden. Aber es ist ein Zeichen von Respekt, zuzuhören und die Situation des anderen wahrzunehmen und zu erkennen, dass es auch eine Form von Vertrauen ist, sich zu öffnen.

In der Bibel steht „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2). Manchmal reicht es mir schon aus, wenn ich höre „Oh, ich freue mich für Dich!“ oder auch „Das ist schwierig und ich wünsche Dir viel Kraft“. Manchmal hilft einem auch ein „Das kenne ich, das hatte ich auch mal“, um zu sehen, dass man nicht alleine ist und Andere diese Situation schon erfolgreich hinter sich gebracht haben.

Nehmen wir uns doch wieder die Zeit füreinander! Ich glaube, damit können wir die Welt wieder ein wenig persönlicher und verbindlicher machen.

Euer
Mathias Leopold
Presbyter