Eine Andacht von Michael Braun, Superintendent des Kirchenkreises An der Agger, zum Sonntag Judika, dem fünften Sonntag in der Passionszeit
Toben, Fluchen, Meckern – alles drei ist nicht schwer und tut manchmal richtig gut. Luft ablassen und aus seinem Herzen keine Mördergrube machen, ist für das eigene Seelenleben wichtig. Und wenn dann auch einmal das Wort mit „Sch…“ fällt, kann das eine befreiende und reinigende Wirkung haben.
Und wer kennt diese Gefühle nach mehr als einem Jahr Corona nicht? Sicher versucht man, mit Beherrschung und Vernunft die Kontrolle zu behalten, aber irgendwann sorgt die Mischung aus Angst, schlechten Nachrichten und dem immer noch nicht abzusehenden Ende dafür, dass alles einfach einmal raus muss.
Vor 40 Jahren stand dafür das kleine HB-Männchen als Markenzeichen. Schlimme Erfahrungen lassen einem nur diese beiden Alternativen: vor Wut platzen oder einen Ausweg finden. Das HB-Männchen warb dafür, als Ausweg lieber zu rauchen, was natürlich auch nicht half. Toben, Fluchen, Meckern sind sicher die bessere und gesündere Alternative, um sich Luft zu machen.
Doch auch das ist nur ein Anfang. Gegen Kummer und Sorgen hilft nur Reden. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und anderes als Toben, Fluchen, Meckern setzt Reden voraus, dass man seine Gefühle wirklich zu Wort kommen lässt und offen macht, was einem hinter aller Wut und Verzweiflung im Herzen tatsächlich quält.
In der Bibel steht dafür Hiob. Sein Leben zerbricht. Er verliert Familie, Wohlstand und Gesundheit. Aber er hat drei gute Freunde, die bei ihm sind und ihn nicht allein lassen. Sie können nichts verändern, aber zuhören. Und Hiob kann ihnen erzählen, was er tatsächlich fühlt.
Es tut gut, solche Freunde zu haben, die einfach nur zuhören. Das steht deswegen auch im Zentrum der Seelsorge in der Kirche. Und es steht im Zentrum vieler Gebete. Selbst wenn keiner da ist, hört Gott zu. Auch bei ihm hilft es, zu toben, fluchen und meckern und dann die eigenen Gefühle zu erkennen und zu benennen.
Hiob tobt, flucht und meckert. Hiob kann seine tiefe Trauer aussprechen. Hiob klagt Gott an. Und dadurch findet er wieder Mut und kann am Ende sagen: „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben“ (Hiob 19, 25).
„Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24). Eine Andacht von Beate Klein, Biobäuerin aus dem Reichshof und Synodalbeauftrage für die Beratung und Begleitung Trauernder, zum Sonntag Lätare (Freue Dich), dem vierten Sonntag in der Passions- und Fastenzeit.
Jesaja 54, 7-10, beginnt mit dem Bibelwort: „Ich habe Dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich Dich sammeln.“ Im Vers 10 heißt es: „Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von mir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, Dein Erbarmer.“
Dieser Text des Trostes ist uns auf den Leib geschrieben, in dieser Zeit der Pandemie. Diese Zusage wird im Neuen Testament bestärkt, durch Jesu Tod und Auferstehung.
Lied: Evangelisches Gesangbuch 98, Strophe 1 bis 3
„Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim der aus dem Acker in den Morgen dringt- Liebe lebt auf, die längst erstorben schien. Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn. Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien. Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Der Wochenspruch lautet: „Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24)
Die Entwicklung des Korns
Wie war das früher auf den Bauernhöfen unserer Großeltern und Urgroßeltern? Reife Weizenähren wurden Anfang des letzten Jahrhunderts zuerst von Hand mit Sicheln, Sensen, abgemäht. Danach stellte man sie in Schobben – so nannte man sechs große, luftig zusammengebundene Getreidesträuße, Garben, mit großer Standfestigkeit zueinander – zum Trocknen in die Sonne. Anschließend trug oder fuhr man, mit Pferd und Wagen, alles bis zum Winter auf die Scheunentenne. Dort wurde es trocken gelagert. Mit Dreschflegeln, Holzstangen mit Schlagbrett wurden die Körner den Winter über von Hand ausgeschlagen und gedroschen.
Dann wurde das Korn gemahlen, mit einer Mühle, die mit zwei gegeneinander laufenden Mühlsteinen das Korn zu Mehl mahlte. Durch Muskelkraft und Wasserkraft. In den Fünfzigerjahren Jahren kam die motorbetriebene Dreschmaschine auf, hiermit wurde das Korn ausgedroschen, gesiebt, gereinigt und in Säcke gefüllt. Die Spreu und das Stroh wurden zum Einstreu der Tiere genommen. Einige Jahre später (Sechziger- und Siebzigerjahre) erfand man den selbstfahrenden Mähdrescher, der das Getreide abmähte, aufnahm, die Spreu von den Körnern trennte und separierte.
Ein Weizenkorn hat in der Regel eine Keimdauer von acht bis 14 Tagen, das ist sortenabhängig. Wenn das Korn gesät ist, stirbt es anscheinend ab. Das Bedeutsame daran ist, dass sich in den Hüllen des Korns der Keimling entwickelt. Dieser wird größer – und sobald sich die Ährenhalme an die Oberfläche schieben, bilden sich neue Körner.
Jesus nimmt seinen Leidensweg an
Die Entwicklung des Korns nimmt Jesus als Zeichen und Möglichkeit, seinen Jüngern sein Leiden und sein Sterben zu erklären. Im Garten Gethsemane nimmt Jesus seinen Leidensweg endgültig an, gibt das Einverständnis zu diesem Lebensweg. Jesus wird durch Gott, seinen Vater, angenommen und getragen. Jesus stirbt und all sein Tun und Predigen scheint zu Ende und wirkungslos geworden zu sein.
Aber dann kommt Ostern! Jesus bleibt nicht im Grab, er erscheint seinen Jüngern und fordert sie auf, ihre Erlebnisse weiter zu sagen!
Dazu gehört auch, Johannes 12, 25ff: „Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“
Das ist schon gar nicht so einfach zu verstehen und anzunehmen, vor allen Dingen, was ist damit gemeint und was ist damit alles verbunden?
Ich denke, dass wir daraus viel entnehmen können. Wenn wir gierig, geizig, rücksichtslos und egoistisch sind, unversöhnlich, hartherzig oder jemanden hassen, dann tun wir uns es selbst an. Wir nehmen uns selbst Lebensfreude und Lebensqualität.
Gottes Barmherzigkeit und Trost dagegen verwandeln uns, und das gibt uns Unterstützung, Trost und Lebensfreude. Wir können dann auch für andere da sein.
/mnt/web113/d1/88/51698988/htdocs/wp content/uploads/2021/03/210309 k Horst Ostermann mit Enkel Alex
Andacht: Wenn der Himmel kurz aufgeht
Eine Andacht von Horst Ostermann, ehemaliger Superintendent des Kirchenkreises An der Agger
„Du musstest Dich also doch nicht immer so alleine darum kümmern, oder?“
Vor einer Woche habe ich etwas erlebt, das sehr schön war: Morgens träumte ich kurz vor dem Aufwachen, ich befände mich in einer Gruppe von Oberkirchenräten, die dabei waren, das Studienprogramm für das kommende Jahr zu planen. Als ich sie drängte, doch auch Seelsorgekurse anzubieten, die meine Freunde und ich halten könnten, reagierten sie neugierig und interessiert – wiesen mich aber weiter an eine Stelle höher, die das entscheiden sollte. Ich ging mit der (An)Klage: „Warum muss ich mich immer so allein darum kümmern?!“
Als ich während des allmählichen Aufwachens noch über meinen Traum nachdachte, flog mir – ich weiß nicht recht warum- der ernüchternde Satz des Apostel Paulus durch den Sinn, den er in seinen Reden oft gesagt hat: „Denkt doch daran, dass alles, was nicht aus dem lebendigen Wort Gottes kommt, wie das Gras ist und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blüte. Das Gras ist verdorrt und die Blüte ist abgefallen- aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit.“ (1.Petrus 1,24 und 25)
Ich erinnerte mich daran, dass ich in meinem Dienst als Pastor und auch in den von mir sehr geliebten Seelsorgekursen, die ich leiten durfte, oft an diese Erkenntnis des Apostel Paulus hatte denken müssen.
Es war mir auch mit den Jahren bewusster geworden, dass all das mich faszinierende Fühlen, Mitfühlen, Wahrnehmen und Nachdenken, das Reflektieren und Einsicht Gewinnen, das Niederlage Erleben und Triumphe Feiern, welches ich in meinem Dienst als Pastor vor allem auch in den Seelsorgekursen erlebte, vergänglich war wie das Gras, das verdorrt. Dass aber ein Drittes hinzukommen konnte und manchmal kam und dass es dann war, als wenn der Himmel kurz aufging.
Und als ich vom Bett aufstand – und zu meinem Schreibtisch ging, da war’s mir wie von einer Stimme, die sagte: “ Du musstest Dich also doch nicht immer so alleine darum kümmern, oder?“
Die Mystiker berichten von ähnlichen Erfahrungen, und für mich war das an diesem Morgen eine erlösende und mir Antwort gebende Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.
Paulus‘ Fürbitte
Der Apostel Paulus hat übrigens oft für die, an die er schrieb, noch eine Fürbitte angefügt – so auch an die Leute in Ephesus. Ich gebe sie hier wieder und schließe mich ihr an:
„Deshalb“, so schreibt er, „beuge ich meine Knie vor dem Vater,
der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden,
dass er Euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.“
Ihr
Horst Ostermann, Pastor im Ruhestand
Einladung zum Dialog
Horst Ostermann war bis Januar 2001 acht Jahre lang Superintendent des Kirchenkreises An der Agger und wohnt in Waldbröl.
Er freut sich über Fragen und Anmerkungen zu seiner Andacht. Seine Telefonnummer ist 02291-6142. Die E-Mail Adresse lautet horstostermann@yahoo.de
Eine Andacht von Martin Will, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Eckenhagen, zum Sonntag Reminiscere, dem zweiten Sonntag in der Passionszeit
Römer 5, Vers 8: Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
Beim Bedenken des aktuellen Wochenspruchs aus dem Römerbrief des Apostels Paulus bemerke ich gewisse Widerstände in mir. Mein innerer Einspruch bezieht sich auf die Feststellung „als wir noch Sünder waren“. Schön wär’s, denke ich, wenn sich das Sünder-Sein so einfach abhaken ließe! Selbst vorbildlich lebende Menschen werden doch immer wieder an ihre Grenzen stoßen, so dass sie vom guten Weg, den Christus gewiesen hat, abweichen und um sich selbst kreisen. Martin Luther hat den Menschen beschrieben als ein in sich selbst gekrümmtes Wesen, indem er oder sie sich von Gottes Gnade abwendet und sich letztlich auf sich selbst verlässt, auch gerade im religiösen Streben. Darüber hinaus sind wir eingebunden in Abläufe, die einen auch ungewollt und unbeabsichtigt in das hineinziehen, was „strukturelle Sünde“ genannt wird. Unser Lebensstil und Konsumverhalten hat eben auch Auswirkungen auf Näherinnen in Bangladesh oder Grubenarbeiter im Kongo.
Ich erinnere mich an Günther (Name geändert), der als junger Mann in den Achtzigerjahren eine Predigerausbildung bei einer sehr frommen Einrichtung begonnen und später abgebrochen hatte. Er erzählte, dass es in seinem Predigerseminar zum guten Ton gehörte, regelmäßig öffentlich „Zeugnis abzulegen“ von der eigenen Bekehrung zum christlichen Glauben. Das lief dann bevorzugt im Sinn eines Vorher-Nachher-Schemas ab. Je schwärzer die Zeit vor der Bekehrung geschildert wurde, umso heller und strahlender konnte das neue Leben als Christ erscheinen.
Nun möchte ich mich auf keinen Fall lustig machen über Menschen, die solche grundlegenden Glaubenserfahrungen gemacht haben, zumal ja Paulus selbst eine radikale Wandlung erfuhr, indem er vom Christenverfolger zum Nachfolger Christi wurde. Aber warum betont Paulus nun in unserem Vers so sehr, dass das Sünder-Sein der Vergangenheit angehört? Ich denke, er treibt seine Aussage so auf die Spitze, weil er klarstellen will: Allem menschlichen Glauben und Tun geht Gottes gnädiges Handeln voraus.
Für mich kommt das besonders deutlich zum Ausdruck bei der Taufe von Säuglingen. Sie sind noch ganz auf die Hilfe und liebevolle Fürsorge der Eltern angewiesen, können, außer vielleicht einem Lächeln, zunächst kaum etwas zurückgeben. So ist es auch bei der Taufe: Gottes Liebe geht allem menschlichen Tun voraus, Christus hat alles gegeben, damit wir heil werden. Nun ist die Taufe kein Automatismus, wir sind ein Leben lang auch aufgerufen, entsprechend im Vertrauen auf seine Liebe zu leben.
Man könnte sagen, Günther, der ehemalige Predigerschüler, hat im Lauf der Zeit fast so etwas wie eine zweite Bekehrung erlebt. Rein äußerlich wohl weniger spektakulär als die erste, von der er früher in Fußgängerzonen erzählte, strahlte er etwas aus von einem innerlich viel freieren christlichen Glauben und Leben als zuvor. Er wurde Prädikant und arbeitete seither ehrenamtlich in seiner Kirchengemeinde mit.
Beim Verfassen der Andacht kamen mir diese Worte von Hanns Dieter Hüsch zugeflogen:
Ich bin vergnügt erlöst befreit Gott nahm in seine Hände meine Zeit. Mein Fühlen Denken Hören Sagen Mein Triumphieren Und Verzagen Das Elend Und die Zärtlichkeit
Ihr Pfarrer
Martin Will
Zum Bild:
Der Pelikan ziert den Schalldeckel der Kanzel in der Barockkirche Eckenhagen. Die theologische Aussage dahinter ist, dass der Pelikan seit der Antike als Sinnbild für aufopferungsvolle Nächstenliebe galt, weil man annahm, dass das Muttertier sich in Notzeiten selbst für seine Kinder opfere, damit diese nicht verhungerten. Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Pelikan auf Jesus Christus.
Eine Andacht von Karin Thomas, Gemeindereferentin im Geteilten pastoralen Amt in der Evangelische Kirchengemeinde Holpe-Morsbach zum Sonntag Invokavit, dem ersten Sonntag in der Passionszeit
Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt.
Wer die Stimme hört tief im Herzen: Ich bin, der ich bin. Ich bin mit dir.
Der könnte so beten: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
Wenn du dir sagst: Ich kann es nicht – nicht ich, spricht Gott: Ich werde mit dir sein.
Er wird dich mit seinen Fittichen decken. Und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.
Seine Wahrheit vertreibt Angst und Sorge.
Er selbst ist es, der deine nackten Füße auf festen Grund stellt, wenn du den neuen Lebenstag betrittst, sein Versprechen im Herzen.
Denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.
Denn der Herr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht. Amen
Diese Worte nach Psalm 91 begeistern mich immer wieder neu: Gott ruft mich. Spricht mich an – „tief im Herzen“.
Und ich darf ihn rufen. Er ist für mich ansprechbar: „Wenn du dir sagst: Ich kann es nicht – nicht ich, spricht Gott: Ich werde mit dir sein.“
Es ist eine Begegnung, ein wechselseitiges „Rufen“ und „Hören“. Manchmal ganz vertraut und dann auch wieder überraschend, ganz anders, als erwartet.
So auch im 1. Buch der Könige, Kapitel 19, Vers 11 und 12: Elia, der große Prophet, fühlt sich nach seinen mächtigen Taten ganz klein. Er ist mit seiner Kraft am Ende. In seiner Verzweiflung hat er nur noch ein Stoßgebet: „Es ist genug…“
Gott hört sein Rufen und ist für ihn da: Er richtet ihn wieder auf und schenkt ihm neue Kraft, stellt ihm Engel an seine Seite.
Und dann verspricht er ihm: Ich werde mit dir sein. Schau hin – ich bin für dich da…
Elia wartet in einer Höhle auf die Begegnung mit Gott und wird überrascht…
Nicht im Sturm – nicht im Erdbeben – nicht im Feuer, sondern im „Flüstern eines sanften Windhauches“ kommt Gott.
Es ist keine „stürmische Begegnung“ – Gott haut ihn nicht um! Elia braucht etwas anderes und das wird ihm geschenkt: leise Töne, Ruhe, Stille…
Die Begegnung schenkt ihm neue Kraft und einen anderen Blickwinkel. Er bekommt wieder Mut zum Leben.
Solche Erfahrung im Reden mit Gott – ob vertraut oder überraschend – wünsche ich Ihnen für die Woche, die mit dem Sonntag „Invokavit“ beginnt. Dieser lateinische Name bezieht sich auf die letzten Verse aus Psalm 91. Dort verspricht Gott:
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ (Lukas 18,31) Eine Andacht von Pfarrer Jurij Lange
Liebe Leserin, lieber Leser, sicher haben Sie es auch schon verspürt, oder?
Dieses Bedürfnis nach Klarheit. Die Sehnsucht danach, sich endlich wieder auf irgendetwas sicher einstellen zu können und einen echten Hoffnungsschimmer im Horizont zu sehen. Denn seit Wochen und Monaten führen wir ja nun schon ein Leben unter Vorbehalt. Immer wieder haben wir erleben müssen, wie unsere Pläne und Vorhaben – mitunter von heute auf morgen – von den Entwicklungen zunichte gemacht wurden. Wohin der Weg uns führt und wie er verlaufen wird, das war und ist so oft nicht klar. Wir gehen und wissen nicht, wohin.
Und doch tappen wir nicht einfach ziel- und hoffnungslos im Dunkeln umher. Unser Weg ist keineswegs so unklar und unsicher, wie es uns vielleicht erscheint. Denn allen Vorbehalten, Virusmutationen und Pandemieentwicklungen zum Trotz sind das Ziel und auch der Weg dorthin klar! Der Wochenspruch erinnert uns daran, wenn er sagt: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ (Lukas 18,31)
Mit ihm, Jesus Christus, werden wir in den kommenden Wochen hinaufgehen nach Jerusalem, Ostern entgegen: vom Dunkel zum Licht, von der Angst zum Trost, vom Tode zum Leben. Wir werden lesen und hören von den Geschehnissen seiner Passion und Auferstehung. Vielleicht werden wir fasten und in einigen Bereichen etwas kürzer treten, um uns auszurichten ganz auf Christus.
Und schließlich werden wir Ostern erreichen. Das große Ziel, an dem wir einstimmen werden in den weltweiten Jubel, der Jesu Auferstehung verkündet und den Sieg des Lebens über den Tod feiert.
Das, lieber Leser, liebe Leserin, ist der Weg, der vor uns liegt. Das ist das Ziel, dem wir entgegengehen. Mit jedem Schritt. Komme, was wolle.
Wo wir uns in den nächsten Wochen mit Christus auf den Weg machen, werden wir deshalb auch heraustreten aus der Kurzatmigkeit, Problemtrance und Unsicherheit der Pandemie, mit all ihren Fragen und Herausforderungen. Wir werden die Freiheit, Kraft und Klarheit finden, die wir jetzt sooft vermissen, weil unser Blick auf das Versprechen Gottes in Christus gerichtet ist, das fest steht und stehen bleibt: Ostern. Den Sieg des Trostes über alle Trauer, den Sieg der Hoffnung über alle Angst, den Sieg des Lebens über allen Tod. Den Sieg Jesu, der auch unser Sieg ist.
Einen gesegneten Weg „hinauf nach Jerusalem“ wünscht Ihnen
Andacht zum zweiten Sonntag nach Weihnachten: Wie seine Herrlichkeit auch mein Leben durchzieht
„Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1, 14b) Eine Andacht zum zweiten Sonntag nach Weihnachten von Uwe Selbach
Der Wochenspruch für die kommende Woche klingt sehr vollmundig: „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1, 14b)
Ein Satz vorher steht noch: „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Mit dem „Wort“ meinte Johannes: Jesus. Und vielleicht haben sie in der Weihnachtszeit auch das Lied „Herbei, o ihr Gläub´gen“ gehört oder gar selbst gesungen. Da kommt dieser Vers auch vor, in der vierten Strophe: „Ja dir, der du heute Mensch für uns geboren, Herr Jesu, sei Ehre und Preis und Ruhm, dir, fleischgewordnes Wort des ewgen Vaters! O lasset uns anbeten…!“
Ob die Menschen damals, als Jesus geboren war, das auch schon so erkennen konnten? Dass es mit diesem heranwachsenden Jesus etwas Besonderes auf sich hat, das haben sie später gemerkt (Lukas 2,41ff.), dass der erwachsen gewordene Zimmermanns-Sohn ein außergewöhnlicher Prediger und Wundertäter wurde, das hatte sich schnell herumgesprochen, mal mit Begeisterung, mal mit Skepsis. Dass in diesem „Christus“ viel mehr steckte als in allen Propheten, die vorher im Land waren, das konstatierten Freunde und Feinde.
Aber die „Herrlichkeit (…) voller Gnade und Wahrheit“? – Wer hat sie gesehen? Wer hätte das so vollmundig behaupten können? – Nein, seine Herrlichkeit war nicht weltweit eindeutig und erkennbar. Das Corona-Virus ist da besser dran: Es ist weltweit nachweisbar und gefürchtet.
Johannes schreibt auch, dass die Menschen Jesus nicht aufnehmen wollten, dass aber alle, die ihn doch aufnahmen, „Gottes Kinder“ sein würden. (Johannes 1,11f.) Es sind die „Kinderaugen“, die die Herrlichkeit sehen und sich darüber freuen können! Ähnlich wie an Weihnachten: „Tausend Kindlein stehn und schauen, sind so wunderstill beglückt.“ (Eichendorff) Hat Jesus seinen Jüngern deshalb vielleicht gesagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“ (Matthäus18,3)?
Von der Krippe bis zum Kreuz
Das bedeutet nicht, dass der Glaube größtmögliche Infantilität zur Voraussetzung hätte. Nein, sondern: Kinder haben noch ein unerschütterliches Vermögen, selbst das (menschlich) Unmögliche im Möglichen zu erkennen! Und als „Kind Gottes“ erkenne ich, dass in diesem Jesus – von der Krippe bis zum Kreuz – der Vater im Himmel aus Liebe zu mir gehandelt hat! Und das ist einfach nur – herrlich! Wer diese „Herrlichkeit“ aber selber erleben möchte, dem gilt der weise Rat des „schlesischen Engels“: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem gebor´n / und nicht in dir; du bleibst noch ewiglich verlor´n“
Nicht die historische Tatsache der Geburt Jesu an sich lässt mich die darin enthaltene Herrlichkeit erkennen, sondern erst, wenn ich mich beschenken lasse von diesem Kind in der Krippe, das zugleich „der Welten Heil und Richter“ ist, dann werde ich immer mehr bemerken, wie seine Herrlichkeit auch mein Leben durchzieht! Darum lädt ein altes Lied zum Gebet ein:
„Ach mache du mich Armen / zu dieser heilgen Zeit aus Güte und Erbarmen, / Herr Jesu, selbst bereit. Zieh in mein Herz hinein / vom Stall und von der Krippen, so werden Herz und Lippen / dir allzeit dankbar sein.“ (Evangelisches Gesangbuch 10,4)
In diesem Sinne wünsche ich uns allen: ein herrliches neues Jahr voller Dankbarkeit!
„Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, der Herr kommt gewaltig“ (Jesaja 40,3.10). Eine Andacht zum dritten Advent von Pfarrer Markus Aust. Er bereitet sich in vier Schritten auf die Ankunft Jesu vor
Haben Sie auch schon mit den Vorbereitungen für das Fest begonnen? Gewiss, in diesem Jahr wird alles stiller, leiser, vorsichtiger, kleiner. Aber Vorbereitungen finden trotzdem statt, oder?
Für mich gehören vier Schritte zur Vorbereitung: 1. Geschenke besorgen. 2. Großreinemachen 3. Für das Festessen sorgen. 4. Mit Deko und Lichtern alles behaglich und wohnlich machen.
Wie bereite ich aber das Kommen von Jesus Christus, dem Friedefürsten, dem Immanuel, dem Heiland in meinem Lebenshaus vor? Eigentlich mit den gleichen vier Schritten, nur anders:
Wenn ich ihn in mir leuchten lasse
1. Ich schenke ihm mein Herz, darüber freut er sich am meisten, das weiß ich.
2. Ich mache in mir sauber, und zwar gründlich. Gewissensprüfung nannten das die Altvorderen: Wo bin ich zu stolz, zu gleichgültig, zu unversöhnlich, zu hartherzig, zu geizig, zu zynisch, zu ignorant, zu überheblich, zu rechthaberisch, zu unachtsam? Im stillen Hören lasse ich es mir von ihm zeigen.
3. Ich freue mich aufs Festessen. Das bringt er mit. Wenn er bei mir ankommt und meine Seele satt macht wie ein frisch gestilltes Kind an der Mutterbrust.
Und last not least 4.: Wenn ich ihn, das Licht der Liebe und das Licht des Friedens, in mir leuchten lasse und anfange zu strahlen – für die Welt, für die Zukunft, für das Leben in Schönheit und Freiheit.
Baut eine Straße zu Gott
Und dann wird es sogar politisch, wie Christa Peikert-Flaspöhler es zum Ausdruck gebracht hat:
„Eine Stimme steht auf in den Dschungeln der Macht. Sie erhebt sich in den Sümpfen der Gewalt, in Kratern der Unmenschlichkeit. Eine Stimme steht auf und ruft: Baut eine Straße der (Schwester- und) Brüderlichkeit! Baut eine Straße zu Gott! Jede Sperre der Freiheit soll weggeräumt, jeder Wall der Vorrechte abgebaut werden. Jeder Stacheldraht soll entflochten, jedes Todeswerkzeug entmachtet werden. Eine Stimme steht auf und ruft: Baut eine Straße des Friedens! Baut eine Straße zu Gott.“
Mit Ernst, o Menschenkinder
Veralteter, aber in nichts dem Modernen nachstehend, lauten die wunderbaren Liedstrophen aus dem Lied Nr. 10 unseres Gesangbuchs: „Mit Ernst, o Menschenkinder“
2.Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast; macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst; macht alle Bahnen recht, die Tal lasst sein erhöhet, macht niedrig, was hoch stehet, was krumm ist, gleich und schlicht.
3.Ein Herz, das Demut liebet, bei Gott am höchsten steht; ein Herz, das Hochmut übet, mit Angst zugrunde geht; ein Herz, das richtig ist und folget Gottes Leiten, das kann sich recht bereiten, zu dem kommt Jesus Christ.
Herzlichen Dank an alle Gemeindeglieder und Freunde, die sich an der Geschenktütenaktion für unser Ev. Seniorenzentrum beteiligt haben. Heute Morgen konnten wir 115 Geschenktüten für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen überreichen.
Auf dem Foto sehen Sie Helena Müller vom Seniorenzentrum, Pfr. Krüger, Pfrin. i.R. Koch-Hein und Pfr. Aust
„Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht“ (Lukas 21,28). Eine Andacht von Vera Gast-Kellert
Es ist erst wenige Wochen her, da erschütterte die Nachricht vom Erdbeben in Izmir die Welt. Immer wieder frage ich mich, wie das wohl sein muss, lebendig unter Trümmern begraben zu sein, auf Hilfe zu hoffen, jede Minute. Vielleicht ein Klopfen zu hören, ein Hoffnungszeichen. Und dann dringen ein Lichtstrahl und eine helfende Hand zu mir und jemand zieht mich heraus. So mag es der dreieinhalb Jahre alten Elif bei Izmir ergangen sein. Verschüttet hat sie sich 65 Stunden an dem Finger eines Feuerwehrmanns festgehalten. Und sie schaffte es zu überleben.
Der Wochenspruch für den zweiten Advent „Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht“ (Lukas 21,28) ist hineingesprochen in eine Welt, die auch zusammenzustürzen scheint, zusammenzustürzen wie die Gebäude bei Izmir. Die Verse aus dem 21. Kapitel des Lukasevangeliums beschreiben das Ende der Welt in erschütternden Bildern. Zeichen am Himmel, verheerende Unwetter – und die Menschen vergehen vor Angst. Die ersten Christengemeinden mussten unter Ungerechtigkeit und Verfolgungen leiden und sahen darin die Anzeichen eines Zusammenbruchs der Welt mit kosmischen Ausmaßen.
Das zu Ende gehende Jahr gibt uns ein Gefühl dafür, was es heißt, wenn Sicherheiten wanken und zusammenzustürzen scheinen – bedrohliche Klimaveränderungen, nationalistische Kriege, fundamentalistischer Terror, Flucht und Vertreibung mit weltweiten Folgen und Corona als lebensbedrohliche Krankheit mit globalen Ausmaßen. Wir können jetzt vielleicht ein wenig besser verstehen, was es heißt, die Zukunft nicht genau berechnen, nicht alles sicher planen zu können. Wir können ein wenig nachfühlen, was das für Menschen weltweit immer schon bedeutet.
Doch inmitten der Bedrohung lebten die frühen Christengemeinden in der Gewissheit, am Ende sei ihnen und der ganzen Welt Erlösung versprochen. Sie hörten den Zuspruch „Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht“. Der Evangelist Lukas wird von der Sorge umgetrieben, dass die Menschen sich von der Angst überwältigen lassen und die Hoffnung verlieren. Deshalb richtet er ihren Blick, unseren Blick, nach vorne auf Gottes Möglichkeiten, auf die Erlösung, die er bringt, auf die große Hoffnung, die die ganze Geschichte Gottes mit seinem Volk und mit der Welt durchzieht.
Advent zu feiern in diesen Zeiten bedeutet für mich, wie Elif in Izmir an der zu mir ausgestreckten Hand festzuhalten und meine Hand für andere auszustrecken, die Halt und Hilfe brauchen. Ich freue mich, dass Volker Ochs 1980 diesen Vers aus Lukas 21,28 vertont hat und lasse ihn in mir klingen.
Mit diesem Vers im Herzen und auf den Lippen wünsche ich allen einen gesegneten zweiten Advent.