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Soul and Gospel am 5.12.

Für alle, die nicht dabei sein konnten. Traumhaft schön. Wie formulierte ein Kenner:

„Wow, eine begeisternd tolle Performance, tolle Künstler, hervorragend auch Bild und Ton.
Chapeau!“

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Logo_EKiR_web   „Zeit verrücken“ in verrückten Zeiten   Theologische Impulse (109) von Dr. Thorsten Latzel, Präses   Uhren   Als Kirche und Christ-/innen haben wir eine „ver-rückte“ Zeitrechnung: Der Tag beginnt um 18 Uhr, die Woche mit dem Sonntag und das Jahr mit dem Advent. Das geht zurück auf eine lange Geschichte, die etwa beim Tagesbeginn im Judentum gründet. Es hat zugleich eine große Bedeutung für den Glauben: In der Art die Zeit zu berechnen drückt sich auch aus, wie wir uns selbst verstehen. Dieses „Verrücken der Zeit“ kann unseren Blick heilsam verändern – gerade in einer Zeit, die viele Menschen als verrückt erfahren. Der Tag beginnt mit dem Abend und die Woche mit der Ruhe: Das ist ein heilsamer Akzent gegen Tendenzen zu Dauer-Aktionismus und Selbsterschöpfung. Kein Mensch, niemand kann dauernd arbeiten oder auch nur erreichbar bzw. online sein. Das Gerede von „24/7“ ist Mumpitz, ein gesundheitsgefährdender Irrsinn. Gerade in der Pandemie mit dem verstärkten Arbeiten und Lernen von zu Hause aus drohen heilsame Rhythmen und Grenzen zu zerfließen. Auch unsere permanente digitale Erreichbarkeit an jedem Ort zu jeder Zeit trägt dazu bei: „Ich schau‘ nur mal kurz nach, ob es wichtig ist.“ „Du hast drei neue Nachrichten“: Die kleinen roten Zahlen sind eigens so gemacht, mich zu konditionieren. Aus Sicht des Glaubens ist der Wechsel von Beten und Arbeiten, Tun und Lassen grundlegend. Und am Anfang steht bewusst das Loslassen, Empfangen, Ruhen: Der Tag beginnt mit dem Abend und die Woche mit dem Sonntag. Unser Leben ist uns gegeben, geschenkt, bevor wir irgendetwas dafür tun. Das hilft, anders in den Tag, in die Woche zu gehen. Mit dem Mystiker Meister Eckhart gesprochen: „Man muss gelassen haben, um gelassen zu sein.“ Das Jahr beginnt mit dem Advent. Wenn die Zeit am dunkelsten ist, feiern wir das Kommen des Lichts, bereiten uns auf Christus vor. Ein Kontrapunkt zur Welt um uns herum. Glaube wie Hoffnung haben so immer etwas Widerspenstiges. Sie lassen sich nicht von außen bestimmen, finden sich nicht damit ab, dass die Welt eben so ist, wie sie ist. Sie bieten vielmehr eine heilsam andere Sicht: „Es knospt unter den Zweigen. Das nennen sie Herbst.“ (Hilde Domin) Das Jahr beginnt christlich mit dem Advent und so mit einer Zeit innerer Einkehr und Umkehr: Worauf kommt es mir im Leben an? Wofür setze ich mich, meine Zeit, mein Geld ein? Der „Black Friday“ ist eine kommerzielle Perversion dessen: „Du bist, was du hast.“ Die Selbstveräußerung des Menschen zum Konsumenten. Gerade die Pandemie bietet – als Gutes im Schlechten – die Chance, manche gewohnten Lebensweisen in Frage zu stellen. Mein Leben ist verletzlicher, als ich lange Zeit dachte. Ich brauche die Begegnung mit Menschen nötiger als meinen Besitz. Und es sind oft kleine Zeichen, die reichen, um mir Mut zu geben und anderen Mut zu machen. Im Advent beginnen wir das Jahr mit dem Einüben der Menschenfreundlichkeit Gottes.      
Weitere Texte: www.glauben-denken.de Als Bücher: https://praesesblog.ekir.de/inhalt/theologische-impulse-als-buecher Kontakt: praeses@ekir.de   Wenn Sie unseren Newsletter nicht mehr beziehen möchten, können Sie ihn hier abbestellen.
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Diakoniesammlung

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Erntedank- Andacht von Präses Dr. Thorsten Lastzel

Logo_EKiR_web   Erntedank in undankbaren Zeiten   Theologische Impulse (104) von Dr. Thorsten Latzel, Präses   Theologische Impulse104: Erntedank   Erntedank ist für mich das persönlichste Fest im Kirchenjahr. Das hat einen persönlichen Grund: Da ich am Michaelistag, dem 29. September, zur Welt gekommen bin, findet Erntedank entweder an meinem Geburtstag oder am Sonntag danach statt. Allein das Wort ruft schon bei mir Kindheitsbilder wach: ein überquellender Abendmahlstisch mit Körben voller Äpfel und Birnen, dazu der obligatorische dicke Kürbis, ein Bollerwagen mit Kartoffeln, Karotten, Gemüse, eine Vase voller leuchtend gelber Sonnenblumen, über allem schwebt eine Ähren-Krone. Dazu erklingt im inneren Ohr: „Wir pflügen und wir streuen …“. Doch wie feiert man eigentlich Erntedank, wenn es keine Ernte zum Danken gibt? Wenn die Flut von einem Tag auf den anderen das eigene Haus, das Auto, die großen und kleinen Schätze einfach weggespült hat? Wenn es in diesem Jahr nichts „einzufahren“ gibt und die eigenen Scheunen leer bleiben – materiell wie seelisch? Die Erfahrung von Missernten gehörte auch in früheren Jahren zu diesem Tag und sie tut es auch heute. Gerade in Zeiten des Bilanzierens kann dies zur Last werden. Wenn die dunkle Jahreszeit beginnt und viele Chancen vertan sind: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.“ (Rilke) Was kann Erntedank angesichts solcher Erfahrungen bedeuten? Ein paar offene Gedanken. 1. Danken und Klagen sind Geschwister. Beides gehört zum Glauben dazu. Und beides muss man lernen. Auf den umgangssprachlichen Satz „Ich kann nicht klagen“, antwortet ein Bekannter von mir regelmäßig: „Da hilft nur üben, üben, üben.“ Es ist gut, dem Schmerz angesichts der eigenen leeren Scheunen Raum zu geben, das Scheitern und die eigenen Verluste Gott zu klagen. Es braucht neben dem Erntedank auch die „Missernte-Klage“. Beides ist Teil der Muttersprache des Glaubens. Und beides schließt sich überhaupt nicht aus. Klagen und Danken will gelernt sein. „Ich kann nicht danken.“ Weil es für mich nichts zu danken gibt. Weil mich mein Leben, das Schicksal, Gott zu danken verlernt hat. Das gilt es ernst zu nehmen. Den Schmerz angesichts von Misserfolg und Leiden. Und es ist zugleich gut, dabei nicht dauerhaft stehen zu bleiben. 2. Pointiert gesagt: Gott braucht nicht meinen Dank. Er nährt nicht „kümmerlich von Opfersteuern und Gebetshauch“ seine Majestät (Goethe). Nicht Gott, sondern ich brauche das Danken. Im Danken gewinne ich einen anderen Blick auf mich, die Welt, mein Leben. Ich bin nicht Opfer eines irgendwie blinden „Schicksals“. Bin mehr als der Inhalt meiner Scheunen, die Fülle meiner Ernte, die Größe meines Stalls – so wenig der Wert all dessen geschmälert werden soll. Wie sehr solche irdischen Gaben ein Segen sind, merkt man gerade, wenn es an all dem mangelt. Erntedank ist eine Einübung, mich dennoch als von Gott Beschenkten zu erfahren. In vielen kleinen Dingen, die ich oft zu leicht als selbstverständlich hinnehme. „Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot.“ Ganz aktuell gehört etwa auch eine gute Regierung zu dem, wofür wir Gott an diesem Fest danken. 3. Danken hat für uns ja oft den Charakter einer als Kinder antrainierten Pflichtübung: „Hast du auch Danke gesagt, dich ordentlich verabschiedet und (vor Corona) die schöne Hand gegeben?“ Doch Dank im christlichen Sinn ist etwas anderes als eine zivilisierte Höflichkeitsform. Und er erschöpft sich auch nicht in einem Wortinhalt. Für den Glauben geht es beim Danken um eine Lebenshaltung, einen Existenzvollzug: Ich bin – mit allem, was ich habe – kein Zufall, kein Selfmade-Produkt, sondern eine Gottesgabe. In Abwandlung eines Begriffs des Theologen Schleiermacher geht es um ein „Gefühl letzthinniger Dankbarkeit“: ich danke nicht nur für dies oder das, in dieser oder jener Hinsicht, sondern ich bin dankbar, dass ich überhaupt bin und nicht „nicht bin“. Auch dann, wenn mein Leben eigenen oder fremden Ansprüchen nicht genügt, in Zeiten von Dürre und Verlust. Christlich danken heißt, dass ich mein Leben als Antwort verstehe. 4. Zu der geistlichen Übung des Dankens gehört als zentrale Aufgabe, mich von dem scheelen Blick auf den anderen, die andere frei zu machen, mich nicht zu vergleichen. Das ist vielleicht eine der schwersten Übungen überhaupt. Mein Auto, mein Haus, meine Karriere, meine Familie, mein Körper, meine Bildung: Ich verfalle immer wieder in das unselige Vergleichen, und sei es, ob die Löcher in meiner Mönchskutte nicht größer sind als die des anderen. Erntedank ist ein soziales Fest, weil wir, egal ob arm oder reich, vor Gott gleich dastehen. Es gibt nichts, was ich nicht empfangen habe. Das gilt auch dort, wo ich viel gearbeitet habe. An Erntedank geht es auch darum, Frieden mit dem zu finden, was ich geworden bin. 5. Das Gebet ist der Ort, an dem ich diese andere Existenzweise der gelebten Antwort und der inneren Zufriedenheit einübe. Etwa beim Dank vor dem Essen. Ich nehme es nicht als selbstverständlich, dass da Brot auf den Tisch steht. Mache mich frei von dem Blick auf die Trüffeln der anderen. Und auch hier bleibt das Danken immer auch ein paradoxaler Akt, gegen den Augenschein, im Angesicht des Scheiterns und Verlierens. Eindrücklich habe ich das vor ein paar Wochen in der von der Flut betroffenen Gemeinde Ehrang erfahren. Dort hielt die Kollegin, Pfarrerin Maren Vanessa Kluge, eine Andacht über selige Momente mitten in der Flut. Kleine, aber entscheidende Augenblicke, in denen Menschen mitten in der Katastrophe Gutes erfahren haben. Etwa der ältere Mann, der seinen Ehering verloren hatte, bis ihn ein Helfer im Schlamm wiederfand. Und der ihn dann von seiner Frau von neuem angesteckt bekam. Ein Moment tiefsten Glücks und tiefster Dankbarkeit. Nach dem Heidelberger Katechismus ist das Gebet das „vornehmste Stück“ der Dankbarkeit. Ich lerne darin, mein ganzes Leben als solch ein Fundstück zu verstehen, das ich von Gott neu empfange wie einen Ring. Ich falte die Hände, öffne sie für Gott. Weil ich letztlich in seiner Hand stehe. Und ich entdecke so eine „portable Heimat“ (Reich-Ranicki) in mir. Ich bin „Gast auf einem schönen Stern“ (Thielicke). Nichts gehört mir auf Dauer. Mit leeren Händen bin ich geboren. Mit leeren Händen werde ich wieder sterben. Dank als geistliche Lebenshaltung, allen Wüstenerfahrungen zum Trotz. Eine wunderschöne Umsetzung dieses Gedankens findet sich in dem alten Film „Milagro. Krieg im Bohnenfeld“, 1988 von Robert Redford als Regisseur gedreht und mit einem Oscar prämiert. Er spielt in New Mexico und handelt von dem armen Kleinbauern Joe Mondragon, der sich gegen ein touristisches Großprojekt wehrt, indem er unerlaubterweise Wasser auf das ausgedörrte Bohnenfeld seiner Väter leitet. Als Rahmenhandlung der Geschichte wird erzählt, wie der alte Amarante Cordova zum Heiligen wird. Der Film beginnt damit, dass der greise Amarante in seiner ärmlichen Hütte aufwacht. Mühsam schafft er es, aus dem Bett aufzustehen und bis zu dem fleckigen, an vielen Stellen schon blinden Spiegel zu gehen. Seine letzten Haare stehen wirr zur Seite ab, seine Brille sitzt schief im Gesicht, sein Unterhemd spannt über seinem Körper. Und dann sagt er den ersten Satz des Films: „Ich danke dir, Gott, dass ich diesen Tag erleben darf.“ Es ist eine faszinierende Szene der Dankbarkeit und des Gotteslobes angesichts menschlicher Armut und Vergänglichkeit. Vielleicht, weil es die Weisheit eines Heiligen braucht, um sich selbst für einen Moment mit den Augen Gottes sehen zu können. Allen Täuschungen des Spiegels zum Trotz.      
Weitere Texte: www.glauben-denken.de Als Bücher: https://praesesblog.ekir.de/inhalt/theologische-impulse-als-buecher Kontakt: praeses@ekir.de Bild: Gerhard G auf www.pixabay.com   Wenn Sie unseren Newsletter nicht mehr beziehen möchten, können Sie ihn hier abbestellen.
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Wochenandacht

ANDACHT Was kann ich schon bewirken?

24.07.2021Andacht

Ihr seid das Salz das Erde, ihr seid das Licht der Welt. An diese Worte Jesu aus der Bergpredigt erinnert uns Pfarrer Oliver Cremer aus Rosbach. Das ist zugleich Mahnung und ermutigender Zuspruch 

„Was kann ich schon bewirken?“ – Haben Sie diese Frage schon mal gehört? Oder gar selber gedacht oder ausgesprochen? Angesichts der vielen großen und kleinen Nöte auf dieser Welt wäre das mehr als verständlich. Denn mit jeder Nachrichtensendung wird mir meine eigene Ohnmacht bewusst. Was kann ich schon bewirken gegen hereinbrechende Wassermassen oder heimtückische Viren? Gegen den Klimawandel oder Kriegsagitatoren?

Vielleicht haben sich die vielen Menschen, die Jesus vor 2000 Jahren in Galiläa von einem Berg aus gehört haben, eine ähnliche Frage gestellt: Was kann dieser Jesus schon bewirken? Wird er wirklich etwas verändern?

Jesus drehte damals diese Frage um: Nicht das, was er bewirken kann, sondern das, was seine Hörerinnen und Hörer sind, war ihm wichtig. Und das hatte es in sich. Zunächst sprach er den Menschen zu, dass sie „selig sind“. Dass sie sich freuen dürfen über Gottes Nähe und Liebe. Gerade in der Erfahrung von Leid, Ungerechtigkeit, Verfolgung und Krieg ist Gott nicht in der Ferne, sondern mitten unter seinen geliebten Kindern.

Und diese Nähe Gottes verändert mich. Sie lenkt den Blick von der eigenen Schwäche oder dem eigenen Versagen hin auf das, was Gott mit mir und aus mir machen kann. In bildhaften Worten fährt Jesus fort: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“ – Ihr seid! Eine große Zusage und eine tröstliche Verheißung höre ich in diesen Worten.

Auch angesichts meiner Ohnmacht gelten mir diese Worte. Sie bauen mich auf. Sie lassen mich im Kleinen beginnen, Salz und Licht zu sein. Sie öffnen mir die Augen für andere, die mit mir zusammen Salz und Licht sind. Sie stärken mir Herz und Hände, mich für andere einzusetzen. So kann mein Leben etwas verändern.

Ihr seid das Salz der Erde 

Gedanken von Rudolf Otto Wiemer (1905-1998)

Ihr seid das Salz der Erde,

vielleicht nur ein Korn.

Aber das Korn, man wird es schmecken.

Ihr seid das Licht der Welt,

vielleicht nur ein Funke.

Aber der Funke fällt hell auf den Weg.

Ihr seid die Stadt auf dem Berge,

vielleicht nur ein Haus.

Aber das Haus lacht aus den Fenstern.

Ihr seid das Salz der Erde,

vielleicht nur eine Handvoll.

Aber das Salz bewahrt vor Fäulnis.

www.ekagger.de | jth | Foto: Jorge Royan/wikicommons –  www.royan.com.ar.jpg

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Theologischer Impuls von Präses Dr. Thorsten Latzel

Meine kleine, geliebte, idiotische Seele – oder: von der Kunst, mit sich selbst alleine zu sein
TheologischeImpulse95-MeinegeliebtekleinedummeSeele(Mai 2021)600x300
Letzte Woche war Fronleichnam. Einer der Lieblingsfeiertag unter evangelischen Pfarrer-/innen. Die katholischen Schwestern und Brüder feiern – und wir haben frei. Soweit so ökumenisch fein. Dummerweise war mein Corona-Schnell-Test am Morgen zuvor positiv. Also zusätzlicher PCR-Test im Testzentrum, dann zweieinhalb Tage Quarantäne. Bei schönstem Wetter, in der kleinen Dachstube meiner Zwischenwohnung in Ratingen. Persönlicher Lockdown. Mönchszelle 2.0. Nun, mit anderen umzugehen, ist nicht immer einfach. Noch schwieriger ist es mitunter, mit sich selbst klarzukommen. Und das eine hängt mit dem anderen zusammen. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das klingt gut. Doch an manchen Tagen ist meine Seele einfach ein ziemlicher Idiot. Sorry, ist nicht persönlich gemeint. Idiot meint ja ursprünglich jemanden, der nur an das eigene denkt (griechisch idios). Und das tut meine Seele, tue ich selbst, an „idiotischen“ Tagen. Meine Seele macht sich dann klein, wird krümel-krämerisch, kreist um sich bzw. mich, als wäre mein Nabel der Nabel der Welt – und nicht einer von sieben, acht Milliarden. Wenn ich dann mit mir selbst nicht im Reinen bin, kann ich meist auch mit anderen schlechter umgehen. Schon gar nicht mit Telefon-Dauerschleifen von Testzentren („Sorry, I make you wait“). Das Gefühl kennen wohl viele. Gerade in der Corona-Zeit wurden wir kollektiv auf einmal viel stärker mit uns selbst konfrontiert, ein nicht freiwillig gewähltes Alleinsein. Das tut auf die Dauer nicht gut. Weil wir uns selbst nicht immer die beste Gesellschaft sind. Dietrich Bonhoeffer etwa beschrieb das so: „Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft. […] Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein.“ Oder die Psalmen. In ihnen ringt der Beter immer wieder mit der besorgten, ängstlichen, verzagten Stimme in seinem Inneren: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir …“. (Psalm 42, 6a) Er fordert sie auf, ruhig, stille zu sein, anderen zu vergeben, Gott zu loben, sich an der Schöpfung bzw. sich selbst zu freuen. Doch das ist leichter gebetet als gelebt. Es fällt oft schwer, mit sich selbst gnädig zu sein. Weil es eben Dinge gibt, die ich mir selbst nicht sagen kann: „Ich liebe dich.“ „Du bist frei.“ „Ich bin bei dir.“ Solche Schlüssel-Sätze des Lebens entfalten ihre Kraft erst, wenn jemand anderes sie mir zuspricht. Als Mensch bin ich ein „exzentrisches“ Wesen: Ich habe meine Mitte außerhalb meiner selbst. Bin angewiesen darauf, dass ein anderer die fremden Wunderworte spricht, die mich erlöst, vergnügt, befreit machen. Doch ich brauche sie paradoxer Weise gerade dann, wenn kein anderer da ist, der sie spricht. Die Kunst, mit sich selbst alleine zu sein. In den Psalmen kommt hier Gott ins Spiel. Nicht so, dass er auf einmal aus dem Nichts auftaucht und dann laut und vernehmlich sprechen würde. Kein „Theater-Gott“, kein „deus ex machina“. Aber doch so, dass der Mensch, der da spricht und mit seiner kleinen, idiotischen Seele ringt, auf einmal frei wird. Höhe, Tiefe, Weite spürt. Innerlich zu singen, zu lächeln beginnt. Oder zumindest zu schmunzeln. In der Sprache der Psalmen heißt das dann loben und klingt so: „Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netz des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen, und wir sind frei.“ Oder: „Die Ströme sollen in die Hände klatschen und alle Berge seien fröhlich vor dem HERRN.“ (Ps 124,7; 98,8) Gott als stilles Gegenüber verändert meine intimsten Selbstgespräche. Selbst, wenn ich ihn nicht spüre, mehr erhoffe als glaube, dass er da ist: Seine verborgene, erhoffte Gegenwart verändert mein Alleinsein. Das Gebet ist ein Möglichkeitsraum Gottes, eine Zeit, in der ich mir bewusst werde, dass er da ist, da sein könnte. Und das lässt sogar mein Sorgen-Selbst nicht unberührt. Gott als Gegenüber, um mit mir selbst allein sein zu können. Ein Horizont der Ewigkeit, der sich auftut. Und für meine Seele öffnet sich eine Tür, um aus meinem Sorgendenken herauszutreten, mich von meiner Selbstverkrümmtheit zu lösen. Meine kleine, geliebte, idiotische Seele: sie erkennt im Horizont der Gegenwart Gottes, dass sie liebenswert, wunderschön, einmalig ist. Wie die Seele jedes Menschen, jedes Tiers. Das verändert mein Alleinsein. Weil mir in Gott die anderen, die Schöpfung auf einmal ganz nahekommen. Das Alleinsein wird zu einer Zeit tiefer Begegnung. Und die Stille erhält einen neuen Klang. Selbst in warmen Dachstuben. Als schließlich die Mail mit dem Ergebnis des PCR-Tests kam (negativ), war das natürlich befreiend. Einfach rausgehen, Sonne, Luft, nach Hause zur Familie fahren. Aber der eigentliche Austritt aus meiner Mönchszelle hatte schon vorher begonnen. Als sich in mir etwas verändert hatte, meine Seele mit sich, Gott, dem Leben wieder im Reinen war. Auch wenn ich Telefon-Dauerschleifen weiter doof finde. Seelen-Rillen-Wechsel Manchmal hakts in mir
wie eine alte Platte
immer die gleiche Tonspur.
Bis es auf einmal springt.
Seelen-Rillen-Wechsel
und eine Melodie erklingt
bei der selbst mein Sorgen-Ich
lächeln muss.
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Theologischer Impuls von Präses Dr. Thorsten Latzel

Fragen-Wechsel – von nervenden, drängenden und befreienden Fragen
TheologischeImpulse94
Es gibt Fragen, die können einem ziemlich auf die Nerven gehen. So geht es mir bei einer bestimmten Art von Fragen mancher Interviewer-/innen. „Lieber Herr Latzel, wie lange meinen Sie, wird es Kirche denn überhaupt noch geben? Was wollen Sie tun, um die Kirche noch zu retten?“ Nun gehört das kritische Nachfragen zu den elementaren Aufgaben von Journalist-/innen. Unerlässlich für unsere offene, demokratische Gesellschaft. Problematisch wird es für mich, wenn die Fragen einen suggestiven Charakter bekommen. Wenn sie Klischees transportieren und nicht am Verstehen, sondern am Vorführen interessiert sind. Dann wird das journalistische Aufklärungspathos zur bloßen Attitüde, hinter der sich die eigenen Vorurteile verbergen. Sprachlicher Marker dafür ist das kleine „noch“. Konkret gesagt: Kirche Jesu Christi gibt es seit 2000 Jahren. Länger als unabhängigen Journalismus. Das Christentum wächst weltweit. Und die Kirche lebt – theologisch gesprochen – aus der Zusage, dass Christus selbst bei ihr ist „bis ans Ende der Welt“ (Mt 28,20). Selbstrettungsaktion abgeblasen. Auch die Annahme, je moderner ein Mensch, desto weniger religiös sei er, ist religionssoziologisch längst überholt. Kritischer müssten mir hier die Kritiker sein. Gerade auch im Interesse der vielen kompetenten Journalist-/innen, die ich kenne: „Stellen Sie Ihre Fragen gerne noch einmal neu.“

Damit komme ich zu einer anderen Art von Fragen. Berechtigte, kritische Fragen, die relevant und drängend sind. Dazu gehört für mich: Was wird aus dieser konkreten Gestalt unserer Kirche? Wie erreichen wir Menschen mit dem Evangelium von Jesus Christus – und zwar in einem freien, offenen Glaubensverständnis? Eine Sichtweise, in der Glauben und Freiheit unbedingt zusammengehören. In der Frauen, Männer, diverse Menschen selbstverständlich gleichberechtigt sind. In der Glauben und Denken einander nicht ausschließen. In der es nicht um das private Seelenheil einiger weniger geht, sondern um das Wohl der ganzen Schöpfung. In der die eigene Identität nicht auf Kosten anderer gepflegt wird. Eine Kirche, die sich eben von Jesus Christus und seiner Botschaft der unbedingten Annahme und radikalen Feindesliebe her versteht. Diese Fragen beschäftigen mich persönlich wie wohl viele Menschen mit kirchenleitender Verantwortung. Weil es ihnen wie mir hier um mehr geht als um den Erhalt irgendeiner religiösen Institution mit rückläufigen Mitgliederzahlen. Deshalb beschäftigen und begleiten mich diese Fragen persönlich, auch wenn ich schlafen gehe oder aufstehe. Denn auch wenn Religionen und speziell auch christliche Religion weltweit wachsen, für diese Sicht des Glaubens und ein weltoffenes Kirchenverständnis gilt dies keineswegs. Den populistischen Reiz zur „Identität durch Ausgrenzung“ und zu simplen Schwarz-Weiß-Bildern gibt es nicht nur im politischen Bereich.

„Stellen Sie Ihre Fragen gerne noch einmal neu.“ Als ich mich kürzlich mit einem Freund über diese Themen unterhielt, verwies er mich auf ein Buch von Simon Sinek mit dem Titel „Start with why.“ In ihm geht es darum, wie Führungskräfte erfolgreich Veränderungen inspirieren können. „Frag zuerst: Warum.“ Warum ist es mir persönlich eigentlich wichtig, dass es diese konkrete Gestalt unserer Kirche gibt? Das ist das eine, innere Warum. Und warum ist es für die anderen, unsere Gesellschaft, weit gesprochen die Schöpfung, die Welt wichtig, dass es sie gibt? Dies ist das andere, äußere Warum. Die Veränderung der Frage finde ich heilsam irritierend und befreiend. Weil sie mir einen anderen Blick öffnet. Darauf, worum es bei der Frage nach der „Zukunft der Kirche“ eigentlich geht. Was für mich persönlich, geistlich, gesellschaftlich hinter dem Anliegen zu ihrem Erhalt liegt. Warum will ich das?

Offene Liste, warum mir meine evangelische Kirche wichtig ist Weil ich mir ein Leben ohne Gott, Seele, Ewigkeit zwar vorstellen kann, aber niemals wünschen würde. Diesen Glauben an Gott habe ich niemals ohne die anderen.Weil mir in Christus die grenzenlose Liebe Gottes begegnet. In ihr spielt es keine Rolle, wer jemand ist, wo er herkommt, wie sie aussieht, wen er oder sie liebt. In der Gemeinde wird für mich etwas von dieser Liebe Gottes erfahrbar.Weil ich zu einer weltweiten Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern gehöre, die sich aktiv für andere engagieren. Mir sind wie ihnen die Schöpfung und das Leben anderer Menschen nicht egal. Wir leben in der Hoffnung, dass Gott einmal alles Leiden beenden wird.Weil mich Gottes Geist dankbar, trotzig und getrost macht. Er befreit mich von der Sorge um mich selbst zur Liebe für andere. Er hilft mir, meine Schönheit zu entfalten und die anderer wertzuschätzen. Gottes Geist wird mir zugesprochen. Das kann ich mir nicht selber sagen.Weil mich die Geschichten der Bibel durch mein Leben begleiten. Um sie recht zu verstehen, braucht es eine lebendige Erzählgemeinschaft. Eine Gemeinschaft, in der Denken und Glauben zusammengehören und in der Wahrheit Gottes nichts ist, was ein Mensch besitzt.Weil der Glauben mein Leben nicht einfacher, aber schöner, tiefer und freier macht. In Gott finde ich Ruhe. Und ich werde durch ihn über Grenzen bewegt. Gemeinsam mit anderen, fremden Menschen, die sich so von Gott bewegen lassen.Weil ich in Gott immer jemanden habe zum Danken, Loben, Klagen. Manchmal tue ich das laut im Gottesdienst für andere und oft tun es andere für mich.  
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Theologischer Impuls von Präses Dr. Thorsten Latzel

TheologischeImpulse93-MeinLieblingsdoenerdieKraeheundich
In der Nähe meines Arbeitsplatzes gibt es einen Dönerladen. Genauer gesagt nicht einen, sondern „meinen“ Dönerladen. Er liegt rund 300 Meter weit weg, sodass ich in Mittagspausen kurz rüberlaufen kann. Der vegetarische Döner ist gut, richtig gut. Was den Imbiss aber eigentlich besonders macht, sind die Menschen dort. Als ich das erste Mal da war, wurde ich in die Kunst der Zubereitung eingeführt: „Mögen Sie ihn mit gebratenem Gemüse, mit Couscous oder gemischtem Salat? Mit oder ohne Zwiebeln, scharfem Gewürz, Käse, Bohnen, Paprika, Krautsalat, Tomaten? Und welche Sauce hätten Sie gerne dazu?“ Beim zweiten Besuch: „Aah, wieder: ‚Ohne Zwiebeln, ohne Sauce, ohne scharfes Gewürz, mit Käse – zum Auf-der-Hand-Essen‘?“ Respekt. Was für eine Leidenschaft und Sorgfalt! Da hat mich jemand wahrgenommen, trotz Corona-Maske. So aufmerksam zugewandt würde ich gerne als Kirche auf Menschen zugehen. Personalisierte Kommunikation des Evangeliums: „Was ist Ihnen am Glauben wichtig? Und was können wir für Sie tun, um Sie zu stärken? Brauchen Sie für Ihr Leben Zwiebeln, welche Sauce, mit oder ohne scharfes Gewürz?“ Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, sondern mit persönlicher Zuwendung – ganz im Sinne von Paulus: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.“ (1. Kor 9,23) Kirche als Lebensbegleiterin und geistliche Herberge, die konsequent von Menschen und Kontakten aus gedacht wird und nicht von eigenen Angeboten oder Verwaltungsstrukturen. Meinen Döner esse ich dann meist auf der Bank vorm Landeskirchenamt. Gemeinsam mit einer Krähe. Zuerst habe ich noch versucht, sie wegzuscheuchen. Ich war genervt von ihrer wenig kaschierten Futter-Schieligkeit. Ohne Erfolg. In gebührenden Abstand saß sie da und schaute mit ihren schwarzen Krähen-Augen weiter zu mir rüber. Mit Erfolg. Irgendwann warf ich angesichts solcher Beharrlichkeit das Handtuch oder, genauer gesagt, die Brotstückchen. Was für einen reicht, reicht auch für zwei. Noch dazu, wenn die andere eine kleine Krähe ist. Von Mahlzeit zu Mahlzeit hoppelte sie nun etwas näher heran. Vielleicht bilde ich mir das in einer romantisierenden Anwandlung auch nur ein. Sei´s drum. Wenn Franz von Assisi den Vögeln predigte, so habe ich zumindest Mittagspicknick mit meiner kleinen Krähe. Mittlerweile habe ich raus, dass sie Gemüse weniger mag und mehr auf Fladenbrot steht. Wikipedia zufolge sind Krähen ja alles-fressend (omnivor): „Da Raben und Krähen opportunistisch bei der Nahrungssuche vorgehen […], können regional und saisonal die Anteile bestimmter Futterquellen an der Nahrung schwanken.“ Opportunismus hin oder her, meine Krähe ist auf jeden Fall ein Kohlenhydrat-Junkie. Wahrscheinlich würde sie sich auch über Lammfleisch freuen. Das brächte aber meinen Döner-Verkäufer durcheinander. Also bleibt es bei der vegetarischen Variante. Tatsächlich beschäftigt mich nach ein paar gemeinsamen Picknicken die Frage, wer bei der alten Geschichte von Franziskus und den Vögeln eigentlich wem gepredigt hat. Bei Jesus und den Spatzen in der Bergpredigt waren es zumindest nicht die Menschen, von denen die Vögel etwas lernen konnten. Nun will ich meine kleine Krähe nicht idealisieren. Krähen können als Nesträuber wirkliche Mistkerle sein. Ich weiß nicht einmal, ob die Krähe unsere Begegnungen auch als „gemeinsames Picknick“ bezeichnen würde. Für mich ist aber der Kontakt gerade auch zu Tieren und Pflanzen ein Feld, auf dem wir als Christinnen und Christen lernen können, was es heißt, aus Gottes Geist zu leben. Um noch einmal Paulus zu bemühen: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. […] Denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.“ (Röm 8,19ff.) Dazu ist uns der „Geist als Erstlingsgabe“ anvertraut. Das mag etwas seltsam klingen. Und vielleicht würde das die kleine Krähe auch so sehen. Aber es ist eine Zukunftsfrage für uns als Kirche, was wir von unserem Glauben her zu einer versöhnten Lebensweise zwischen uns Menschen und unserer Mitschöpfung beitragen können. Auch hier geht es – wie beim Dönerladen – um Sorgfalt, Leidenschaft, persönlicher Wertschätzung. Ein Leben im offenen Kontakt zu anderen. Open minded. In der Gegenwart des Geistes Christi. Direkt neben „meinem“ Dönerladen gibt es übrigens noch einen Imbiss mit asiatischen Angeboten, den ich jetzt getestet habe. Aber – das ist eine andere Geschichte. Krähen-Gedanken Wir sitzen
zusammen oder in der Nähe.
Wir essen
gemeinsam oder zeitgleich.
Zumindest
vom gleichen Brot.
Wir werden uns wohl niemals
verstehen.
Doch das geht mir
mit vielen Menschen ähnlich.
Vom Segen, Dir zur begegnen,
nimmt das nichts. (TL)
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Wochenandacht

Andacht: Vorhang auf!

Eine Andacht von Andreas Spierling, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Bergneustadt

„Vorhang auf, Bühne frei…! Jetzt geht´s los! Wir sind nicht mehr aufzuhalten.  Jetzt geht´s los, hier spielt die Musik.“ So hat es die Kölner Gruppe „De Höhner“ 1998 auf den Punkt gebracht. Bühne frei, das Leben feiern. Hier hält uns nichts mehr auf. Raus auf die Gassen und die Freiheit miteinander leben. Nein – aufhalten kann uns keiner mehr. Wo wir sind, da spielt die Musik.

Ich finde diesen Gedanken im Blick auf das Pfingstfest faszinierend. Pfingsten hat für mich immer etwas mit Begeisterung zu tun. Irgendwie bleibt kein Stein auf dem anderen und alles wird neu. Da hält es die Menschen nicht mehr auf den Plätzen und sie rufen hinaus, was ihnen auf dem Herzen liegt. Sie erzählen von den wunderbaren Taten Gottes. Gottes Geist hatte ihnen die Herzen geöffnet und nun muss es raus: Gott ist der Schöpfer allen Lebens. Er hat in Jesus seine Geschöpfe aufgesucht und zum Leben durch Tod und Auferstehung befreit. Der Himmel ist offen. Was für eine Begeisterung.

Es bricht sich Bahn, was Jesus seinen Vertrauten gesagt hat: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der zu euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein.“ (Apostelgeschichte 1,8)

Auf diesem Hintergrund gönnen Sie sich die Zeit und lesen einmal Apostelgeschichte 2! Es lohnt sich.

Da lässt unser Gott nicht nur ein laues Pfingstlüftchen wehen. Nein – hier darf es mal richtig zur Sache gehen. „Volles Programm“ – würde man heute sagen. Da wird aufgewirbelt, was sich verfestigt hatte, da öffnet sich der Himmel, der zuvor verhangen war. Da ist der Regisseur des Lebens in seinem Geist am Werk. Der Vorhang öffnet sich und die Bühne ist frei. Er stellt die Ausstattung zu Verfügung und befähigt die Akteure zum Handeln.

So erzählen sie aus Begeisterung heraus von den wunderbaren Taten Gottes und alle verstehen es. Das kriegen auch die mit, die bisher in Glaubensdingen sehr zurückhaltend waren. Sie öffnen neugierig ihre Türen und der ein und die andere lassen sich mitreißen zur Feier des Lebens.

Wir sind nicht mehr aufzuhalten – das wünsche ich mir für uns Christen von Herzen, dass uns nichts mehr zurückhält, vom Heiligen Geist befähigt und getrieben von den großen Taten Gottes zu erzählen.

Stimmen Sie heute noch ein: „Unser Leben sei ein Fest. Jesu Geist in unserer Mitte. Jesu Werk in unseren Händen, Jesu Geist in unseren Werken.“ (Evangelisches Gesangbuch 571)

Also: Die Bühne ist frei. Sind wir noch aufzuhalten?

Ihr Pfarrer

Andreas Spierling

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Protestantisch leben in der Pandemie – Eine geistliche Alternative zu Querdenkerei

Theologische Impulse (89) von Dr. Thorsten Latzel, Präses

Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Das ist eine harte Erfahrung aus der Corona-Zeit. Am Anfang habe ich noch oft gehört: „Wir verschieben das einfach.“ Sechs Monate nach hinten. Um ein Jahr. Auf irgendwann nach der Pandemie. Wie bei einem Film: kurz auf Pause drücken und dann – nach Corona – weiterschauen. Das Versäumte später nachholen. Doch das geht nicht. Weil das Leben keine Pausetaste hat. Es lässt sich nicht anhalten. Die Zeit ist zu lang geworden und zu viel ist geschehen. – Für das kleine Restaurant am Markt war der Druck zu groß. Der Besitzer ist ausgebremst: von einer 60 Stunden-Woche auf null. – Ihren Schulabschluss wird unsere Tochter nicht mehr nachfeiern. Ihren 18. hat sie noch gefeiert – corona-konform mit genau einer Freundin. – Und viel zu viele Menschen, von denen wir Abschied nehmen mussten. Die Erfahrungen aus den Corona-Monaten werden bleiben. Manche positive, aber vor allem Schulden, Wunden und Verletzungen. Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Das ist auch die Erfahrung, aus der die Bibel entstanden ist. Die Bücher des Alten Testaments, die Heiligen Schriften des Volkes Israel, wurden geschrieben, gesammelt nach dem tiefen Einschnitt des Exils. Auch nach der Rückkehr ins verheißene Land war es nicht wieder wie zuvor. Die Zeit dehnte sich und viele Erwartungen erfüllten sich nicht. Jerusalem und der Tempel blieben lange zerstört. Die verwüsteten Orte wurden nicht auf einmal zu grünen Gärten. Die Bücher des Neuen Testaments wurden geschrieben, gesammelt nach dem tiefen Einschnitt von Tod und Auferstehung Christi. Das Kommen Christi und sein Reich ließen auf sich warten. Die Zeit dehnte sich und viele Erwartungen erfüllten sich nicht. Kommt er morgen, nächste Woche, nächstes Jahr, überhaupt einmal? Viele Glaubende starben, unter ihnen alle, die ihn noch mit eigenen Augen gesehen hatten. Die Gemeinden wuchsen, aber auch die Spaltungen nach innen und die Verfolgung von außen. Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Damals suchten Menschen Antworten, um Gott und sich selbst zu verstehen. Sie setzen sich hin und schrieben auf, woran sie glaubten. Sammelten Texte, die ihnen Halt und Hoffnung gaben. Durch die sie Gottes Geist erfuhren. Worte, die ihren Glauben durch die Zeiten trugen. Tragfähige Worte: Was hilft uns, uns zu verstehen, da auch unser Leben, unsere Gesellschaft, unsere Kirche nicht mehr so sein werden, wie sie einmal waren? Ein Schlüsseltext dafür ist in dieser Woche vor Rogate das Vaterunser. Das Gebet Jesu Christi lehrt uns, was es heißt, im wahrsten Sinne des Wortes „protestantisch“ zu leben – mitten in der Pandemie. Eine Anrede, sieben Bitten und ein hymnischer Schluss. Mehr nicht. Kurze, knappe Sätze, die mein Denken und Handeln neu ausrichten. Druck-Punkte für meine Seele. Sie versetzen mich heraus aus sorgenvoller Starre hinein in heilsame Bewegung. Zunächst die Anrede. „Vater unser im Himmel“ – wir glauben, dass es mehr gibt, als es gibt. Mehr als Viren, Naturgesetze. Mehr als das, was Menschen machen. Wir glauben, dass es einen Himmel gibt. Und einen Gott, der uns hört. Dass wir durch Gott mit allen Geschöpfen als Geschwister verbunden sind. Mit Menschen, Tieren, Pflanzen. Das verleiht meinem Leben Weite und Heimat: Ich bin nicht allein. Bin geborgen in Gott. Das ist die erste Bewegung: Meine Seele weitet sich, spürt den Himmel in sich. Sie kommt zur Ruhe, findet Heimat in Gott als Schöpfer allen Lebens. Dann die Bitten. Drei Bitten mit „Dein“, vier Bitten mit „unser“. Die zweite Bewegung meiner Seele. Raus aus der Sorge um mich selbst, der selbstfixierten Nabelschau. Hin zum „Du“ und zum „Wir“. Zur Begegnung mit Gott und zur Gemeinschaft mit allen anderen. – „Geheiligt werde dein Name“. Uns ist etwas heilig. Nicht unser eigener Ruf. Nicht der unserer Kirche. Sondern der Name Gottes. Und durch ihn der Name eines jeden Menschen. Wir heiligen Gottes Namen, indem wir den Namen jedes Menschen heiligen. Den Namen unseres Nachbarn, dessen Verhalten uns in der Pandemie ärgert. Von Politiker/innen, Lehrer/innen und überhaupt „denen da oben“, deren Job wir vermeintlich so viel besser machen könnten: Ihr Name ist uns heilig. Wir muten einander Wahrheit zu. Aber wir machen andere nicht schlecht. – „Dein Reich komme.“ Gottes Reich erfahren wir, wo immer Menschen sich um andere kümmern. Erschöpften helfen. Traurige trösten. Mit anderen teilen. Diese Liebesreich Gottes bestimmt auch uns. Uns ist niemand egal. Weil uns in jedem anderen Christus begegnet. So geschieht Gottes Liebeswille unter uns – „im Himmel wie auf Erden.“ – „Unser tägliches Brot gib uns heute“ – Während Corona erfahre ich: Mein normaler Alltag ist eine Gabe, ein Geschenk. „Mein tägliches Brot“: ein Lächeln in der Straßenbahn, die Kaffee-Runde mit den Kolleg/innen, der Besuch im Kino und Stadion, mich mit Freunden treffen. Für viele Menschen war manches davon auch vor Corona keineswegs normal. Ich lerne neu den Wert des Alltags. Bin beschenkt, wenn ich‘s oft nicht merke. – Und ja, wir haben einander viel zu vergeben. Andere mir und ich anderen. Im Nachhinein würde man sicher vieles anders machen. Ich auch. Auch diese Pandemie verleitet dazu, nach Schuldigen zu suchen. Irgendwelchen Irrsinn zu glauben: „und führe uns nicht in Versuchung.“ Zu unserem Glauben gehört: Wir werden nicht von außen bestimmt. Weder durch Viren noch durch Schuld noch Verschwörungsphantasien. Uns bestimmt Gottes Liebe. Sie macht uns frei, mit anderen daran zu arbeiten, wie es nach der Pandemie sein wird. Wenn wir von diesem „Bösen“ erlöst sind. Am Ende des Vaterunsers dann der hymnische Schluss. Viele schwere Begriffe auf wenig Raum: Reich, Kraft, Herrlichkeit, Ewigkeit. Damit kann ich, ehrlich gesagt, oft ziemlich wenig anfangen. Ich bin nicht so der hymnische Typ. In den letzten Monaten sind sie mir aber anders wichtig geworden. Sie beschreiben eine dritte Bewegung meiner Seele. Meine Seele öffnet sich für Gottes Wirklichkeit: Sie geht aus sich heraus, verlässt sich auf Gott, rechnet mit seinem Wirken. Oder kurz gesagt: Sie hofft. Darum geht es im Hymnus: um Hoffnung. Ich lobe Gott und mache mir selbst bewusst: Es wird am Ende gut werden. Weil Gott regiert. Weil Gott die Kraft hat, zu retten. Das ist seine Form der Herrlichkeit: für andere da zu sein. Immerdar. Protestantisch leben – mitten in der Pandemie. Das ist ziemlich exakt das Gegenteil von Querdenkerei. Es geht um Trost und Trotz des Glaubens. Eine tiefe, innere Widerständigkeit aus Gott. Es wird nicht wieder werden, wie es einmal war. Das ist die eine Seite der Wahrheit. Die andere ist: „Gottes Reich kommt.“ Deswegen: Seid trotzig und getrost. Seid füreinander da. Und lasst uns so aus Gottes Liebe leben. Das schenke uns Gott.