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Wochenandacht

Andacht: „Alles klar, oder?“

Die Wochenandacht schreibt Pfarrer Michael Striss aus Lieberhausen

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)

„Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst dein Zimmer aufräumen!“ An diese Mahnung der Eltern an das Kind erinnert mich das Wort des Micha. Die Handlungsanweisung ist hier wie dort eindeutig und unmissverständlich. Und schon so oft gesagt! Wenn sie nicht befolgt wird, kann es also weder daran liegen, dass sie zu schwammig formuliert wäre, noch dass man von nichts gewusst hätte.

Ulrich Schacht wurde im DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck geboren, verbrachte als junger Erwachsener wiederum drei Jahre in politischer Haft, wurde nach seinem Freikauf in der Bundesrepublik Schriftsteller und später Mitbegründer einer evangelischen Ordensgemeinschaft. Bei ihm habe ich den Satz gelesen: „Die Welt ist kompliziert genug, da muss man nicht auch das Eindeutige differenzieren.“  

Vor dem Eindeutigen aber können wir uns nur schwerlich drücken. Außerdem haben wir gelernt, Differenzierungen seien immer gut – schon um uns vor einfältigem Schwarz-Weiß-Denken wie an dem oft zitierten „Stammtisch“ zu hüten. Daher ist man vorsichtig und fragt erstmal zurück: „Wie ist das denn gemeint?“

Solches aber ist nichts für Jesus

Sicher: Manchmal ist tatsächlich ein kritischer Geist gefragt, der hartnäckig nachfragt. Manchmal aber flüchten wir uns auch nur in Rückfragen. Da wollte Jahrhunderte nach dem Propheten Micha mal einer wissen, was gut und gerecht sei vor Gott. Jesus sagt ihm: „Liebe Gott und deinen Nächsten!“ Eine klare Aus- und Ansage. Der Fragende könnte dankbar sein für die eindeutige Antwort. Stattdessen aber stellt er die Rückfrage: „Wer, bitte schön, ist denn mein Nächster?“ Vielleicht hofft er auf Differenzierung: Der gehört dazu, jener nicht… Das nämlich würde die zunächst unmissverständliche Antwort relativieren und ihre Schärfe nehmen. Solches aber ist nichts für Jesus.

Der Prophet Micha gab auf Fragen des Volkes Israel eine ähnliche  Antwort wie Jesus: „Ihr sollt den aus der Bibel erkannten Willen Gottes tun, beständig lieben und euch weder über Gott noch andere Menschen überheben.“ Damit ist eigentlich alles gesagt. Wir brauchen darüber weder ständig zu diskutieren noch abzustimmen, sondern es nur zu tun.

Aktuell erwarten Menschen von den Kirchen und ihren Verantwortlichen geistliche Deutungsangebote, die ihnen helfen und Orientierung geben, die eine andere Perspektive aufzeigen als sie Politik oder Virologie zu geben vermögen. Auch hierbei helfen Verundeutlichungen keinen Deut weiter. Natürlich wissen auch Christen nicht alles. Aber einiges schon: „Es ist dir gesagt, Mensch…“.  

Mit herzlichem Gruß

Ihr Pfarrer Michael Striss, Kirchengemeinde Lieberhausen