In der Nähe meines Arbeitsplatzes gibt es einen Dönerladen. Genauer gesagt nicht einen, sondern „meinen“ Dönerladen. Er liegt rund 300 Meter weit weg, sodass ich in Mittagspausen kurz rüberlaufen kann. Der vegetarische Döner ist gut, richtig gut. Was den Imbiss aber eigentlich besonders macht, sind die Menschen dort. Als ich das erste Mal da war, wurde ich in die Kunst der Zubereitung eingeführt: „Mögen Sie ihn mit gebratenem Gemüse, mit Couscous oder gemischtem Salat? Mit oder ohne Zwiebeln, scharfem Gewürz, Käse, Bohnen, Paprika, Krautsalat, Tomaten? Und welche Sauce hätten Sie gerne dazu?“ Beim zweiten Besuch: „Aah, wieder: ‚Ohne Zwiebeln, ohne Sauce, ohne scharfes Gewürz, mit Käse – zum Auf-der-Hand-Essen‘?“ Respekt. Was für eine Leidenschaft und Sorgfalt! Da hat mich jemand wahrgenommen, trotz Corona-Maske. So aufmerksam zugewandt würde ich gerne als Kirche auf Menschen zugehen. Personalisierte Kommunikation des Evangeliums: „Was ist Ihnen am Glauben wichtig? Und was können wir für Sie tun, um Sie zu stärken? Brauchen Sie für Ihr Leben Zwiebeln, welche Sauce, mit oder ohne scharfes Gewürz?“ Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, sondern mit persönlicher Zuwendung – ganz im Sinne von Paulus: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.“ (1. Kor 9,23) Kirche als Lebensbegleiterin und geistliche Herberge, die konsequent von Menschen und Kontakten aus gedacht wird und nicht von eigenen Angeboten oder Verwaltungsstrukturen. Meinen Döner esse ich dann meist auf der Bank vorm Landeskirchenamt. Gemeinsam mit einer Krähe. Zuerst habe ich noch versucht, sie wegzuscheuchen. Ich war genervt von ihrer wenig kaschierten Futter-Schieligkeit. Ohne Erfolg. In gebührenden Abstand saß sie da und schaute mit ihren schwarzen Krähen-Augen weiter zu mir rüber. Mit Erfolg. Irgendwann warf ich angesichts solcher Beharrlichkeit das Handtuch oder, genauer gesagt, die Brotstückchen. Was für einen reicht, reicht auch für zwei. Noch dazu, wenn die andere eine kleine Krähe ist. Von Mahlzeit zu Mahlzeit hoppelte sie nun etwas näher heran. Vielleicht bilde ich mir das in einer romantisierenden Anwandlung auch nur ein. Sei´s drum. Wenn Franz von Assisi den Vögeln predigte, so habe ich zumindest Mittagspicknick mit meiner kleinen Krähe. Mittlerweile habe ich raus, dass sie Gemüse weniger mag und mehr auf Fladenbrot steht. Wikipedia zufolge sind Krähen ja alles-fressend (omnivor): „Da Raben und Krähen opportunistisch bei der Nahrungssuche vorgehen […], können regional und saisonal die Anteile bestimmter Futterquellen an der Nahrung schwanken.“ Opportunismus hin oder her, meine Krähe ist auf jeden Fall ein Kohlenhydrat-Junkie. Wahrscheinlich würde sie sich auch über Lammfleisch freuen. Das brächte aber meinen Döner-Verkäufer durcheinander. Also bleibt es bei der vegetarischen Variante. Tatsächlich beschäftigt mich nach ein paar gemeinsamen Picknicken die Frage, wer bei der alten Geschichte von Franziskus und den Vögeln eigentlich wem gepredigt hat. Bei Jesus und den Spatzen in der Bergpredigt waren es zumindest nicht die Menschen, von denen die Vögel etwas lernen konnten. Nun will ich meine kleine Krähe nicht idealisieren. Krähen können als Nesträuber wirkliche Mistkerle sein. Ich weiß nicht einmal, ob die Krähe unsere Begegnungen auch als „gemeinsames Picknick“ bezeichnen würde. Für mich ist aber der Kontakt gerade auch zu Tieren und Pflanzen ein Feld, auf dem wir als Christinnen und Christen lernen können, was es heißt, aus Gottes Geist zu leben. Um noch einmal Paulus zu bemühen: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. […] Denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.“ (Röm 8,19ff.) Dazu ist uns der „Geist als Erstlingsgabe“ anvertraut. Das mag etwas seltsam klingen. Und vielleicht würde das die kleine Krähe auch so sehen. Aber es ist eine Zukunftsfrage für uns als Kirche, was wir von unserem Glauben her zu einer versöhnten Lebensweise zwischen uns Menschen und unserer Mitschöpfung beitragen können. Auch hier geht es – wie beim Dönerladen – um Sorgfalt, Leidenschaft, persönlicher Wertschätzung. Ein Leben im offenen Kontakt zu anderen. Open minded. In der Gegenwart des Geistes Christi. Direkt neben „meinem“ Dönerladen gibt es übrigens noch einen Imbiss mit asiatischen Angeboten, den ich jetzt getestet habe. Aber – das ist eine andere Geschichte. Krähen-Gedanken Wir sitzen zusammen oder in der Nähe. Wir essen gemeinsam oder zeitgleich. Zumindest vom gleichen Brot. Wir werden uns wohl niemals verstehen. Doch das geht mir mit vielen Menschen ähnlich. Vom Segen, Dir zur begegnen, nimmt das nichts. (TL) |
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