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Wochenandacht

Andacht: Die Frage nach dem höchsten Gebot

Die Andacht zum Israelsonntag schreibt Pfarrer Hans-Georg Pflümer, Religionslehrer am Wiehler Bonhoeffer-Gymnasium.

Und es trat zu Jesus einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?

Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als dieses.

Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen (Markus 12,28-33).

Eine meiner Lieblingserzählungen in der Bibel

Diese Geschichte von Jesus und einem namenlos gebliebenen Schriftgelehrten gehört zu meinen Lieblingserzählungen der Bibel. Und ich will Ihnen auch erzählen, warum. Hier sprechen und diskutieren zwei Menschen völlig ohne Aggression und Rechthaberei über die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

Wir lesen diese Geschichte schnell als eine Diskussion zwischen einer christlichen Seite und einer jüdischen Seite. Ursprünglich war es aber ein Gespräch zwischen zwei Juden. Und Jesus antwortet ja auch als ein frommer Jude, der mit beiden Beinen auf der jüdischen Thora steht. Das wichtigste ist „Gott ist EINER und den soll man lieben“ und genauso wichtig ist „Man soll den Nächsten lieben, wie sich selbst.“

Liebe ist das Zentrum der Religion – oder sie sollte es sein. Und Liebe ist das Zentrum unseres Lebens – oder sie sollte es sein. Wie weit wir Menschen davon entfernt sind, sehen wir tagtäglich in Zeitung und Nachrichten. Und gerade deshalb ist es so wichtig, „Liebe“ in den Mittelpunkt zu stellen.

Am Sonntag ist Israelsonntag. An dem Tag erinnert die Kirche an die Verbundenheit zu Israel. Der katholische Theologe Hans Küng sagte einmal: „Es kann keinen Weltfrieden geben ohne den Religionsfrieden. Und es kann keinen Religionsfrieden geben ohne den Dialog der Religionen.“ Die Rückbesinnung der Kirche auf ihre jüdischen Wurzeln ist so etwas. Und die Einsicht, dass der Islam aus Judentum und Christentum hervorgegangen ist, ebenso. Nicht die Rituale sollten uns trennen, sondern die Liebe zum Frieden verbinden.

Ihr und Euer Pfarrer Hans-Georg Pflümer

PS. Und allen Schülerinnen und Schülern, die in dieser Woche wieder mit der Schule begonnen haben, wünsche ich viele gute Begegnungen mit Muslimen in den Moscheen und mit Juden in den Synagogen.

ANHANG

Siebenarmiger Leuchter. Bildzeile: Ein siebenarmiger Leuchter (Menora) erhellte die Tempel in Jerusalem. Dort stellte er für Juden die Anwesenheit Gottes dar, denn Gott ist für Juden das Licht. (Foto: Helene Souza, pixelio)

Schma Jsrael. Bildzeile: Die Plakette zeigt das Sch’ma Jisrael oder Schema Jisrael, es ist ein jüdisches Glaubensbekenntnis: „Höre Israel!“ (Foto: Hanspeter Obrist, www.obrist-impulse.net)